Der Zollbeamte winkte mich ohne Kontrolle durch. Die erste Hürde war geschafft und ich stand in der relativ kleinen Empfangshalle des Melbourner Flughafens. Mein guter Freund Evan holte mich ab und wir fuhren in das Haus in St. Kilda Ost, das er sich mit seinem Kumpel Nick teilte und länger als gedacht meine Bleibe werden sollte.
In den ersten zwei Wochen dachte ich noch nicht an das Rad, das bereits unterwegs war. Sommerlich warmes, aber wechselhaftes Wetter teilte mir meine Zeit sinnvoll ein. Entweder wurde drinnen gesportelt, gelesen und getrommelt oder draußen erkundet, erledigt und erholt.
Ein Freund aus der Heimat kam aus Sydney runter und leistete mir Gesellschaft.
Ein Wochenende fuhren Evan und ich zum Wilson’s Promontory, einer von Victorias bekannteren Nationalparks und reich an quietschendem Strand, atemberaubendem Küstenpanorama und grasenden Kängurus.
Als sich dann der Zoll endlich gemeldet und ich noch einen Einfuhrobolus gelöhnt hatte, war es nur noch eine Frage von zwei absurd langen, aber sommerlich heißen Wochen, bis das Fahrrad kam.
In diesen Tagen traf ich sämtliche Vorbereitungen für die Tour, änderte – zumindest in der Theorie – das Set-up von Taschen und Gepäck, kaufte schon mal Proviant, plante die Route und verbrachte meine restliche Zeit in Parks, am Strand oder damit, mit Evans leichtem Alurad durch die Gegend zu brettern.
Ein 90km Ausflug in unter dreieinhalb Stunden – inklusive Bad im See – zeigte mir mal wieder, wie viel extra Anstrengung nötig ist, circa 35kg mehr zu bewegen.
Ich freute ich mich trotzdem sehr auf mein Rad und darauf, nach quasi drei Monaten Radlosigkeit, die Tour nach Sydney zu beginnen, die ich zur ersten Hälfte alleine und anschließend mit Andre, einem Freund aus dem Studium, der nun in Sydney wohnt, fahren würde.
Als der Paketmann endlich an der Tür klingelte und ich den Karton sah, wusste ich nicht, ob ich schreien oder weinen sollte. Total eingebeult, an einer Stelle sogar aufgerissen und mit dem Steuersatz herausschauend, nahm ich das Paket entgegen.
Mit zitternden Händen machte ich mich daran, meine nahe Zukunft auszupacken, um zu sehen, ob sie nicht zu ramponiert war, um Wirklichkeit zu werden. Sie war es nicht. Der Rahmen hatte ein paar ordentliche Kratzer abbekommen, aber der Rest und vor allem die Speichen und Felgen sind irgendwie intakt geblieben.
Am frühen Abend war das gute Stück dann wieder zusammengebaut, Ersatzteile besorgt und fast alles bereit, um am nächsten Morgen loszufahren.